Notizen |
- Am 22 Apr 1822 erschien Napoleon Peltzer vor dem Bürgermeister Stephan Schoenen aus Gressenich (DE) und beantragte eine Auswanderungsgenehmigung nach Maastricht (NL).
Anschließend ging er [lt. Macco jedoch bereits in 1821] nach Moskau, Rußland (RU) wohin auf seine Veranlassung hin dann auch in kurzen Zwischenräumen seine Geschwister folgten. Dort arbeitete er kurze Zeit in der ersten damals gegründeten Tuchfabrik für feine Tuche, von Koshewnikow, und etablierte sich dann selbst in dieser Branche. Im Jahre 1832 errangen seine Tuche auf der Moskauer Industrie-Ausstellung die goldene Medaille. Dreizehn Jahre später siedelte er, einer Auffordung des St. Petersburger Banquiers Baron A. L. von Stieglitz folgend, nach Narwa (EE) über, im St. Petersburger Gouvernement, wo er mit diesem gemeinsam eine kleine in Zahlungsstocckung geratene Tuchfabrik übernahm. Er reorganisierte diese Fabrik, baute sie vollkommen um und so gelang es (…) ihm in kurzer Zeit die renomierteste Tuchfabrik Russlands zu schaffen [siehe Foto der Nawaer Tuchfabrik im Jahre 1890], die (…) das feine Tuch für die Uniformierung der russischen Offiziere fast ausschließlich liefert. Die Fabrik wurde im Jahre 1880 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, jedoch blieben die Anteile im Besitz der Familie. (…) Napoleon Peltzer wurden für sein Verdienste um die Begründung und Entwicklung der russischen Feintuch-Industrie und um das Wohl seiner Arbeiterschaft von Seiten der russischen Regierung verschiedene Auszeichnungen zu Teil. So erhielt er den St. Stanislaus-Orden III. Kl., den gleichen Orden II. Kl. um den Hals, den St. Annen-Orden II. Kl. um den Hals, und andere mehr. Auch wurde er in den erblichen Ehrenbürgerstand erhoben.
Über die Geschichte der nach Rußland ausgewanderten Pelzers gibt es ein Taschenbuch im dtv-Verlag (Nr. 10133) von Isabella Nadolny mit dem Titel Vergangen wie ein Rauch. Dazu ist zu bemerken, daß die Zentralfigur dieser Geschichte einer Familie Napoleon Peltzer ist, der Urgroßvater der Schriftstellerin Nadolny. Sie ist auch die Schwiegertochter des früheren Botschafters in Moskau (RU) und Ankara (TR), der sein Amt während der Adenaueraera ausübte. In der Einführung des Taschenbuches heißt es Als einfacher Handwerker aus dem Rheinland ist er einst zu Fuß nach Rußland gewandert und hat es dort zum Tuchfabrikanten gebracht, in dessen Haus Großfürsten und Handelsherren, der deutsche Kaiser und der russische Zar zu Gast waren.
Das Ende der Franzosenherrschaft stürzte die Familie in enorme wirtschaftliche Schwierigkeiten; sie konnten das Gut Wenau nicht halten. […] Als 19-Jähriger folgte er dem Ruf seines Bruders Sigismund, der nach Russland zurückgekehrt war und dort wirtschaftlich Fuß gefasst hatte. 1821 trat der Eifler Napoleon seine Fußwanderung ins Zarenreich an, wo er sich in einer Moskauer Tuchfabrik zum exzellenten Tuchfachmann ausbildete.
Noch in seinen Zwanzigern wagte er den Schritt in die Selbständigkeit, bereits 1831 errang von ihm produziertes Feintuch auf einer Moskauer Industrieausstellung eine Goldmedaille. Als sich im folgenden Jahrzehnt der in Sankt Petersburg lebende deutschjüdische Bankier und Textilunternehmer Ludwig Stieglitz – der Rothschild Russlands – entschloss, die Tuchfabrikation auszudehnen und zu modernisieren und er zu diesem Zweck eine Fabrik am estnisch-russischen Grenzfluss Narva kaufte, wählte Stieglitz den Eifler Peltzer zu seinem Direktor. Peltzers Management entsprach den hohen Erwartungen von Stieglitz. Das Werk an der Narva wurde in technologischer und sozialer Hinsicht der fortschrittlichste russische Textilbetrieb, dessen Qualitätsprodukte vor allem von der Zarenarmee geschätzt wurden. Als 1856 der Bremer Großkaufmann Ludwig Knoop (1821–1894) – als Genie des Kapitalismus mit seinen Aktivitäten im Russischen Reich einer der Unternehmer-Titanen des 19. Jahrhunderts – die Narva-Flussinsel Krähnholm erwarb und dort eine Baumwollfabrik errichtete, die sich zu einem der weltweit größten Textilindustriekomplexe entwickelte, konnte sich die Stieglitzfabrik mit ihrem Direktor Peltzer dennoch erfolgreich daneben behaupten. 1872 kam es in der knoopschen
Krähnholm Manufaktur zu einem erbitterten Arbeitskampf, in dessen Verlauf sogar zwei Töchter Peltzers vor aufgebrachten Arbeitern in Sicherheit gebracht werden mussten. Derartige Vorkommnisse störten die großbürgerliche Lebensweise der Peltzer-Familie allerdings nur selten. Peltzer hatte 1833 die dreizehnjährige Katharina Mollenhauer geheiratet. Aus der Ehe gingen zehn Kinder hervor, drei davon heirateten Vettern beziehungsweise Kusinen. Nachfahren von Napoleon Peltzer sind der Schauspieler Ulrich Tukur und der Schriftsteller Sten Nadolny, die beide heute zur kulturellen Elite Deutschlands zählen. Zur peltzerschen Tuchindustriellendynastie in Russland gehörten auch Napoleons Brüder, die ebenfalls ins Zarenreich ausgewandert waren. In Narva oder auf ihren sonstigen herrschaftlichen Gütern empfingen die Peltzers Mitglieder des Hochadels; Napoleon Peltzer und einige seiner Nachkommen wurden geadelt und hoch geehrt. Als der Einwanderer aus der Eifel 1889 in der Stadt Narva starb, würdigte man ihn als einen der großen Industriepioniere des Zarenreichs.
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