Notizen |
- Im Jahre 1954 starb der Berginvalide Dieterichs aus Eschweiler. Der Tod hatte ein Menschenleben ausgelöscht, das von Arbeit und Mühen, Sorgen und Not geprägt worden war. Es war das Begräbnis eines kleinen Mannes”, das Vater Dieterichs am Ende seiner beschwerlichen Erdenreise zuteil wurde. Nur einmal hatte sein einen Höhepunkt erfahren, schien die große Lotterie des Lebens einen Haupttreffer für ihn bereit zu halten.
1948 war der Name Dieterichs” nicht nur in Eschweiler, sondern in der ganzen Bundesrepublik in aller Munde war. Das war, als die großen Tageszeitungen und der Rundfunk es in alle Welt hinausposaunteen: Armes Renterehepaar ebt 13 Millionen Dollar und Amerikanische Riesenerbschaft fällt an Invaliden”. Die Illustrierten brachen seitenlange Bildberichte, die Briefträger schleppten ganze Waschkörbe mit Bitt- und Bettelbriefen in die armselige Wohnung, Geschäfts= und Modehäuser schickten Kollektionen teurer Kleider und Pelzmäntel in das Haus des vermeintlichen Millionenerbens. Jeder wollte etwas, alle wollten teilhaben an dem großen Glück, das die Familie Dieterichs ganz unverhofft getroffen zu haben schien. Aber es kam ganz anders.
Vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges, im Jahre 1939, war in Boston, im Staate Massachusetts, USA, ein Mann namens John Roessle gestorben, der ein Vermögen von rund 13 Millionen Dollar hinterließ. bei der Such nach den Erben stieß man auf eine einzige Cousine ersten Grades, nämlich die Amerikanerin Mrs. Arene Hyde. Ihr fiel, dem Erbrecht des Staates Massachusetts zufolge, das Riesenvermögen zu.
Die Frage nach rechtmäßigen Erben wurden zum zweiten Male akut, als Mrs. Hyde bald darauf starb. Da der Vater des John Roessle ein deutscher Einwanderer war, lag es nahe, auch in Deutschland nach eventuellen Erben zu forschen. Man fand heraus, daß ein direkter Vorfahre der Familie Dieterichs Johann Rössler hieß, der im Jahre 1833 in Gressenich geboren wurde und später nach Amerika auswanderte.
Die Nachricht von ihrem vermeintlichen Glück wurde den Dieterichs durch einen Bremer Rechtsanwalt zugetragen. Der schien fest davon überzeugt, daß Vater Dieterich und seine vier Geschwister rechtmäßige Erbansprüche auf das Riesenvermögen geltend machen könnten. Gegen eine Honorar, das ein rundes Fünftel der Erbmasse ausmachen sollte, erbot er sich alle notwendigen Schritte in die Wege zu leiten.
Die vermeintlichen Erben, denen das geforderte Honorar reichlich hoch erschien, lehnten das Angebot ab. Wer beschreibt ihr Erstaunen, als sie später ein Schreiben desselben Anwaltes erhielten, in welchem ihnen kurz und bündig mitgeteilt wurde, daß die ganze Sache auf einem Irrtum beruhe. Der Vater des Dollar-Millionärs John Roessle habe nicht - wie der Vorfahre der Dieterichs - im Jahre 1833, sondern schon 23 Jahre zuvor, nämlich 1810, das Licht der Welt erblickt. Er empfahl den dermaßen grausam Enttäuschten, sich fürderhin keinen falschen Hoffnungen mehr hinzugeben.
Die Dieterichs waren aber in der Zwischenzeit nicht müßig gewesen. Sie hatten einen New Yorker Anwalt ausfindig gemacht, der sich zu Wahrnehmung ihrer Interessen bereits erklärt hatte. Er ließ sich von den Eschweilern zahlreiche wichtige Urkunden und Dokumente schicken, hatte angeblich während der zehnmonatigen Interessenwahrnehmung mehr als 50 000 Dollar Spesen und Unkosten und ließ, so sehr man auch in Eschweiler auf seine Nachrichten wartete, nach einiger Zeit einfach nichts mehr von sich hören.
Die Töchter Dieterichs gaben die Hoffnung nicht auf. Anfang 1955 schrieben sie dem deutschen Konsulat in Boston. Die Konsularsbeamten stellten Ermittlungen an und konnter der Eschweiler Erbengemeinschaft” im April 1955 mitteilen, daß da noch rund 10 Millionen Dollar betragende Vermögen der Mrs. Hyde in sogenannten Trust Funds” angelegt wäre, und daß die Erträgnisse ihrem Sohn zugute kämen. Nach dessen Tode solle es karitativen Zwecken zufließen.
Der Brief des Vizekonsuls Dr. Ungerer enthielt noch eine weitere Neuigkeit. Man hatt nämlich aus dem Mundes des neuen Vermögensverwalters, eines Mr. James Conolly, vernommen, daß der Vater des John Roessle nicht schon 1810, sondern wie auch der Gressenicher Vorfahre der Dieterichs - erst im Jahre 1833 geboren sei. Als Geburtsort nannte Mr. Connolly Stuttgart. Die dort registrierten Verwandtschaftsverhältnisse wurden - wiederum nach den Angaben Connollys - bei der Erbenermittlung sorgfältig überprüft”.
Dies alles schrieb Vizekonsul Dr. Ungerer an die Eschweiler Erben”. Die stellten in Stuttgart Ermittlungen an und fanden bald heraus, daß dort erst seit dem Jahre 1876 eine Personenstandsregister geführt wird. Die Kirchenbücher der katholischen und protestantischen Pfarreien aber weisen übereinstimmend aus, daß nirgendwo in Stuttgart im Jahre 1833 die Geburt eines Johann Roessler oder Roessle registriert wurde. Bei den Angaben des Vermögensverwalters Connolly handelte es sich also offentlich um eine Unwahrheit. In diesem Sinne berichtete die Eschweiler Erben” dem deutschen Konsulat in Boston.
Die Antwort, die später von dort eintraf, bestärkt die Menschen im Eschweiler Kasernenblock Nr. 1 in ihrem Verdacht, daß gewisse Kreise in den USA, ein Interesse an der Verschleierung der tatsächlichen Verwandtschaftsverhältnisse hatten. Vizekonsul Dr. Ungerer schrieb ihn nämlich folgendes: Ich habe mich erneut mit dem mit der Vermögensverwaltung des Erbes von John Roessle beauftragten Rechtsanwalt James F. Connolly in Verbindung gesetzt un ihn um Stellungnahme zu den von Ihnen in Stuttgart festgestellten Ermittlung über Geburtsort und -jahr des Johann Roessle gebeten. Er hat jedoch auf alle meine telefonischen Anrufe und Schreiben keine Antwort gegeben. Als ich ihn durch den Vertrauensanwalt des Konsulats erneut an die Beantwortung meiner Anfrage erinnerte, hat er es abgelehnt, mir weitere Auskunft zu geben”. Er empfahl der Eschweiler Erbengemeinschaft”, einen Bostoner Rechtsanwalt, der mit Erfällen und mit dem Erbrech des Staates Massachusetts vertraut wäre, mit der Wahrnehmung ihrer Interessen zu beauftragen.
Weitere Maßnahmen, die die Erbengemeinschaft über die nachfolgenden Jahre unternahm führten zu keinem Ergebnis.
Aus der Ehe Dietrich-Boeling stammten 2 Kinder. Aus der Ehe Dietrich Borgs stammten 6 Söhne und 1 Tochter. [3, 5]
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