Notizen |
- Die Vagantenfamilie Braconier
Eine familienkundliche Studie von Rudolf M. Gall, Trier, 1993 [Auszüge]
Ausgangspunkt für die Erforschung der Familie BRACONIER (Braconnier) ist somit das Dorf NEROTH in der Eifel, bei Gerolstein (ehemals Sarresdorf genannt), gelegen.
Aus den Kirchenbüchern und dem vom Pfarrer im l9. Jahrhundert angelegten Familienbuch von Neroth erfahren wir, daß sich Nicolas Braconie als Französischer Fußsoldat der Revolutionstruppen (er gehörte der 4. Legion an) in Neroth niedergelassen hat. Bei seiner ersten urkundlichen Nennung 1798 (erste Heirat) im Kirchenbuch von Neunkirchen, bis etwa 1803 Pfarrort für Neroth, heißt es in seinem Heiratseintrag daß er aus einem Dorf bei Paris namens Rudemanilans stammt.
Wieso Braconier in den kriegerischen Auseinandersetzungen [napoleonische Kriege] in Neroth blieb, ob er desertierte, bleibt offen. Desertation ist fast auszuschliessen, denn das besagte Gebiet stand schon zu dieser Zeit unter französischer Verwaltung. Wir können annehmen, daß er verletzt und nicht kriegstauglich war und so in Neroth hängen blieb. Vielleicht hat ihm die Lebensweise der dortigen Vaganten gefallen. Wir sollten wissen, daß Braconier zu deutsch Wilddieb [laut Dictionnaire Étymologique des Noms de Famille et Prénoms de France - Librairie Larousse] heißt- und daß sein Vater Pferdehändler war. Es besteht die Möglichkeit, daß er in Frankreich unter ähnlichen sozialen Verhältnissen lebte wie in Neroth.
Seine 2. und 3. Frau sind einwandfrei der jenischen Gruppe in und um Neroth zuzurechnen. Schon die Kinder der ersten und dritten Ehe, die zweite blieb kinderlos, heiraten ausschließlich Mädchen aus jenischen Familien, die alle untereinander verwandt waren. Man hatte ein typisch endogames Heiratsverhalten. So z.B. Söhne heiraten LORSE Töchter und Töchter heiraten PRISON Söhne und andere Vagi.
Diese Verhältnisse führten dazu, daß standesamtliche Ehen auch umgangen wurden, da bereits mit Beginn des l9. Jahrhunderts im LInksrheinischen (französische Verwaltung und ab 1805 Republik Frankreich) das Personenstandsrecht nach dem Code Civil von en Kirchen an die Zivilen Verwaltungen überging und korrekt verwaltet wurde. Behörden wurden von den Jenischen gemieden wie vom Teufel das Weihwasser. Andererseits kam man später ohne diese Legitimationen nicht mehr aus. Man verzichtet auch auf kirchliche Segnungen, da bei der Heirat auch die Verwandtschaftsverhältniss oft hinderten. Dispense waren, wenn das Kirchenrecht entgegenstand nicht zu erhalten. Einmal war man nur standesamtlich oder nur kirchlich verheiratet. Taufen liess man alle Kinder. Auch zum Tod wurde der Priester gerufen. Fand nur die standesamtliche Heirat statt waren für die Kirche die Ehe und die Kinder ilegitim.
Man zahlte keine Steuern an Kirche und Staat, wurde als Vagabundus bezeichnet, obwohl man schon zumindest im Winter an einem Platz blieb. Dort wo sich Verwandte, Verschwägerte und gleichgesinnte Sippen trafen Man wollte sich der prüden Ordnung der sogenannten Besitzenden, (das waren meist bitterarme Leute) nicht unterordnen und liebte das freie Leben. Die Nerother Jenischen wandten sich gegen Mitte des 19. Jahrhunderts von Neroth ab und zogen in die Jülicher Gegend.
In Neroth gibt es heute keine Familie Braconier mehr.
Um 1840 verbanden sich seine Kinder mit jenen Familien, die als Kern der laten jenischen Gruppe von Neroth angesehen werden müssen, d.h. Lorse, Schaack, Prison und Haas. Alle Sippen sind abgewandert. Das Bürgermeisteramt Linnich (DE), das vor Jahren über einen Schaack gefragt wurde, berichtete, daß es sich bei dieser Familie um fahrendes Volk handelte, die man hier zu Land auch Triersche nennt. Man versteht darunter in hiesiger Gegend nach Zigeunerart umherfahrende heimatlose Leute, die im Wandergewerbe sich als Korbmacher, Kesselflicker usw. betätigen. Wie hier an Pferdemarkttagen früher beobachtet werden konnte, bestanden auch starke bindungen geschäftlicher und familiärer Art zu die Märkte besuchende Zigeuner (905#Lit.19640000).
Aus der Ehe Braconier-Ley stammen keine Kinder.
Zender schreibt im Familienbuch Neroth über ihn:
1811 wird er Nikolaus Denis Braconie genannt, Witwer, 35 Jahre alt, geboren in Paris, Tagelöhner, wohnhaft in Neroth,
großjähriger Sohn von Joseph Braconie voituriens (Pferde-Fuhrmann), wohnhaft in Paris und der Julienne Colc;:on
- genannt auch Franz Nikolaus Braconie (SIA Gerolstein); Procogni (Kb Uersfeld); Prokenich Kb Neroth - Er hat sich als
Soldat der französischen Revolutionstruppen oder Begleiter der Truppen im Tross (gallus ex quarta legione lt. HE) in
Neroth niedergelassen - bei der 1. Nennung im HE wird er als Aurigarum bezeichnet - er ist sicherlich nicht desertiert, da
er der funktionierenden Verwaltung der französischen Besatzer nicht entgangen wäre - Sein Tod wird von der Bürgermeisterei
Enzen nach Gerolstein gemeldet - dort wurde der Todesfall angezeigt von 2 Herren aus Linzenich, wobei es sich um den Wirth (wohl der Quartiergeber) und einen Bekannten des Verstorbenen handelte.
Es sieht danach aus, dass er der preussische Spitzenahn der im Rheinland lebenden Nachkommen ist. Zu bemerken
ist noch, dass lediglich die Kinder seines ältesten Sohnes Matthias (der seine Ehefrau sicherlich auf einer Reise mit seinem
Vater kennenlernt), die Söhne Jakob, Peter und Johann mit drei weiteren Geschwistern in Neroth bodenständig
bleiben, wohingegen seine anderen Nachkommen (über 300 sind erfasst), wie er selbst auch ab der 2. Eheschließung,
als umherziehende Händler und Gewerbetreibende lebten, wobei auch diese noch über Generationen ihre Beziehungen
zu Neroth bewahrten. [1, 2, 4]
|